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Wahlen Forscherin: Bewegen uns auf Kippmoment zu

Von dpa 10.06.2024, 11:55
Delegierte gehen vor dem Parteilogo bei dem AfD-Bundesparteitag in Magdeburg.
Delegierte gehen vor dem Parteilogo bei dem AfD-Bundesparteitag in Magdeburg. Carsten Koall/dpa

Cottbus - Die Rechtsextremismusforscherin Heike Radvan sieht in den hohen Zustimmungswerten der AfD bei der Europa- und der Kommunalwahl in Brandenburg „ein erschreckendes Ergebnis“. „Aber es war vorhersehbar“, fügte Radvan am Montagmorgen an. Sie beobachte seit Jahren eine rechte Mobilisierung und eine geschwächte demokratische Zivilgesellschaft - insbesondere im Osten der Republik. „Wir haben ein Problem mit Rechtsextremismus in West- und in Ostdeutschland.“ Dennoch zeigten sich stärkere Herausforderungen im Osten, so Radvan. „Die Unterschiede liegen auf der Einstellungsebene, im Wahlverhalten, hinsichtlich der Dominanz rechter Gewalt aber auch der Mobilisierungsfähigkeit rechter Parteien und Gruppierungen über Wahlen hinaus.“

Die AfD hat in Brandenburg sowohl bei der Europawahl als auch der Kommunalwahl die meisten Stimmen geholt. Nach Auszählung aller Wahlbezirke kam die AfD, deren Landesverband der Verfassungsschutz als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft, bei der Kommunalwahl auf 25,7 Prozent und bei der Europawahl auf 27,5 Prozent. Im Landkreis Spree-Neiße katapultierte sich die Partei bei der Kommunalwahl in Richtung 40 Prozent. Die Parteien aus der Ampel-Regierung im Bund ließen bei den Wahlen deutlich Federn.

Es zeigt sich eine deutliche Zustimmung zu vereinfachenden, unsolidarischen Antworten auf gesellschaftliche Probleme, erklärte Radvan. Man bewege sich auf einen Kippmoment zu. Diese zeigten sich bei rechten Parteien nicht erst bei 50 Prozent Zustimmung, sondern bereits bei 30 Prozent. Man müsse die demokratischen Werte und die Vorteile einer demokratischen Gesellschaft gegenüber autoritären Diktaturen noch deutlicher machen. 

Radvan nahm am Montagmorgen die demokratischen Parteien in die Pflicht. Es brauche eine gesellschaftliche Debatte darüber, was Demokratie heißt, so die Forscherin. „Wir müssen darüber reden, was demokratische Kultur heißt, und müssen mehr Partizipation zulassen“. Das sei die Verantwortung der demokratischen Entscheidungsträger. Man müsse sich bewusst bemühen, das Positive an der Demokratie hervorzuheben. Das Ergebnis der AfD deute sie auch als Abkehr von der Demokratie bei einigen Wählern.

Teil der Diskussion sollte in Zukunft laut Radvan auch die strukturelle Benachteiligung im Osten sein. Auch das gehöre zur Wahrheit. „Wir brauchen eine kritische Debatte darüber, gerade auch auf der Suche nach den Ursachen der hohen Zustimmung zu rechten Parteien.“, führte die Forscherin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU)aus.