Justiz Immer weniger Rechtsanwälte in Sachsen-Anhalt
Wer einen Rechtsbeistand braucht, könnte es in manchen Regionen in Sachsen-Anhalt bald schwer haben. Die Zahl der selbstständigen Rechtsanwälte sinkt. Der Nachwuchs strebt in die großen Städte. Nun gibt es Versuche, jungen Juristen den ländlichen Raum nahezubringen.
Stendal/Magdeburg - Die Zahl der Rechtsanwälte in Sachsen-Anhalt geht stetig zurück. Vor allem in ländlichen Regionen zeichne sich ein Nachwuchsmangel ab, sagte der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Sachsen-Anhalt, Christian Lisec, in Magdeburg. „Viele Anwälte insgesamt gibt es eigentlich nur in Magdeburg und Halle, wobei hier auch die meisten neu zugelassen werden.“ Landesweit habe es 2013 noch 1813 niedergelassene Rechtsanwälte gegeben, aktuell seien es knapp 1500. Ausscheidenden Anwälten stehen wenige Neuzulassungen gegenüber. In den kommenden Jahren setzt sich der Trend wohl fort, nimmt Lisec an.
Die Rechtsanwaltskammer wirbt daher bei Regionalkonferenzen um angehende Juristen, sich selbstständig zu machen - vor allem im ländlichen Raum, wo es nur vereinzelt Neuzulassungen gebe. Für diesen Mittwoch ist laut Lisec eine solche Veranstaltung am Landgericht Stendal geplant. Stadt und Umland sowie die Arbeit dort sollten den angehenden Anwälten vorgestellt werden. Es gebe etwa 60 Anmeldungen von Rechtsanwälten, Studierenden und Referendaren. Bislang seien junge Rechtsanwälte, die sich im ländlichen Raum niederlassen, laut Lisec meist dort geboren oder aufgewachsen.
Zuletzt habe es eine solche Regionalkonferenz in Bernburg im Salzlandkreis gegeben, so der Geschäftsführer und selbstständige Rechtsanwalt. Lisec zufolge sind solche Regionalkonferenzen, wie sie die Rechtsanwaltskammer in Sachsen-Anhalt veranstaltet, einzigartig in Deutschland.
Ein Beispiel für die anstehenden Engpässe im ländlichen Raum ist Lisec zufolge Genthin im Jerichower Land. Nach dem plötzlichen Tod eines Anwaltes gebe es dort aktuell noch sechs Juristen, die überwiegend um die 70 Jahre alt seien. Wenn sich kein Nachwuchs finde, könnte Genthin in ein paar Jahren ohne Rechtsanwalt sein. Rechtssuchende, ob bei Familiensachen oder Verkehrsstreitigkeiten, hätten längere Wege in andere Orte auf sich zu nehmen.
Dabei stellt es sich Lisec so vor: Ein junger Anwalt arbeitet sich in der Kanzlei eines angehenden Ruheständlers ein, wächst hinein und übernimmt dann ganz. Die Bereitschaft sei bei den niedergelassenen Rechtsanwälten da, betont der Geschäftsführer der Kammer.
Jedoch stellt Lisec eine mangelnde Risikobereitschaft bei jungen Juristen fest, sich selbstständig zu machen. „Die Risikobereitschaft geht insgesamt zurück.“ Zudem seien die Chancen im Staatsdienst gut. Das Land biete den Absolventinnen und Absolventen direkt Jobs an. Die Pensionierungswelle bei Richtern und Staatsanwälten fällt in Sachsen-Anhalt stärker aus als in den meisten ostdeutschen Bundesländern. Bis zum Jahr 2033 verliert das Land laut dem Richterbund 390 seiner heute aktiven rund 810 Richter und Staatsanwälte.
Bundesweit ist die Zahl der Rechtsanwälte zuletzt gestiegen. Die Mitgliederstatistik der Bundesrechtsanwaltskammer wies zum Jahresbeginn 2023 eine Zahl von 169 388 aus, 2022 waren es 167 085 gewesen und im Jahr 2021 genau 167 092.