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„Der Ripper von Berlin“ Thriller über Morde im Berlin der Zwanzigerjahre

Schreckliche Morde im Rotlichtmilieu versetzen Berlin in Angst und Schrecken. Die junge Journalistin Anaïs Maar soll über den Fall berichten. Dabei kommt sie dem Mörder näher als ihr lieb ist.

Von Dan von Medem 07.05.2024, 10:01

Berlin - Berlin 1927: Ein Mörder treibt sein Unwesen in der verruchten Gegend um den Schlesischen Bahnhof, ermordet und zerstückelt Prostituierte. In dem Roman „Doch das Messer sieht man nicht“ der Autorin I.L. Callis gerät Hauptfigur Anaïs Maar in einen Fall von äußerster Brutalität. Die Taten erinnern an den berühmten Serienmörder Jack the Rippper aus Londons Armenvierteln Ende des 19. Jahrhunderts.

Anaïs, die gerade ihre erste Stellung als Kulturjournalistin bei der Boulevard-Zeitung „Brennpunkt“ beginnt, wird auf den Fall angesetzt. Sie beschreibt in ihrem Artikel den Mörder als „Ripper von Berlin“, versetzt damit Berlin in Angst und Schrecken und schafft es so zu stadtweiter Berühmtheit. Doch die Berichterstattung bleibt auch dem Täter nicht verborgen und macht die junge Journalistin zur Zielscheibe.

Unterstützung erhofft sich Anaïs von der jungen Josefine, die von einer Karriere beim Film träumt, allerdings als Obdachlose jeden Tag um ein warmes Essen und eine Unterkunft kämpfen muss. Dabei gerät sie immer wieder in gefährliche Situationen mit Männern, die ihre schwierige Lage auszunutzen bereit sind.

Das Berlin der 1920er-Jahre besitzt bis heute eine enorme Faszination. Der „Tanz auf dem Vulkan“, das wilde und freie Nachtleben in den Berliner Clubs und Bars, die neu gewonnenen Freiheiten und Möglichkeiten gerade auch für Frauen stehen in starkem Kontrast zu dem, was Deutschland mit dem Beginn der Naziherrschaft ab 1933 erwartet.

I.L. Callis erzählt diese Zeit aus dem Blick zweier Frauen. Hauptfigur Anaïs Maar ist Tochter eines Afrikaners und einer Deutschen. Obwohl sie aufgrund ihrer Hautfarbe vielen Anfeindungen ausgesetzt ist, ermöglicht ihr die wohlhabende und einflussreiche Tante, bei der sie aufwächst, den Weg in höhere Berliner Schichten. Ihre große Leidenschaft ist das Boxen, damals verboten für Frauen, der sie deswegen nur heimlich nachgehen kann.

Josefine, im Berliner Armenviertel aufgewachsen, lebt zwischen großen Träumen und einer knallharten Realität, in der sie sich oft zwischen Hunger oder Vergewaltigung entscheiden muss. Gerade die Gedanken von Josefine gehören zu den Stärken des Buches. Sie zeichnen ein schonungsloses Bild der Lebenswirklichkeit von Frauen aus armen Schichten in der Endphase der Weimarer Republik.

Allgegenwärtig ist in Callis' Roman der Berliner Dialekt. Mitunter wirkt das Berlinern mancher Figuren allerdings etwas überzogen. Am Ende des Buches kommt es zum unausweichlichen Showdown mit dem Serienmörder, bei dem Anaïs sowohl die Techniken als auch die Weisheiten ihres Boxtrainings zugutekommen. Mit „Doch das Messer sieht man nicht“ ist I.L. Callis ein spannender Thriller gelungen, bei dem die harte soziale Wirklichkeit Berlins einen perfekten Hintergrund für die brutalen Taten des Serienmörders liefert.