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Rechtsstreit um Bordell Gericht: Erweiterung für Bordell Artemis zulässig

Berlins größtes Bordell Artemis, das zugleich ein Saunaclub ist, gibt es schon fast 20 Jahre. Die Betreiber wollen schon länger expandieren. Und zogen dafür vor Gericht.

Von Andreas Rabenstein, dpa Aktualisiert: 02.12.2024, 17:59
Das Gericht verhandelte vor Ort über die Bordell-Baugenehmigung.
Das Gericht verhandelte vor Ort über die Bordell-Baugenehmigung. Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin - Die Richterin trug Mütze und Handschuhe, Anwälte und andere Prozessbeteiligte dicke Daunenjacken. Trotz winterlicher Temperaturen wollte das Berliner Verwaltungsgericht vor Ort unter freiem Himmel genau sehen, wo und in welcher alten Lagerhalle eine geplante Erweiterung des Großbordells Artemis entstehen sollte. Die Entscheidung fiel dann einige Stunden nach dem gemeinschaftlichen Frieren klar aus. 

Der Umbau der Lagerhalle nahe dem seit knapp 20 Jahren bestehenden Artemis ist baurechtlich zulässig. Das Verwaltungsgericht verpflichtete das Land Berlin und den zuständigen Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf zur Erteilung der Baugenehmigung an die beiden Bordell-Betreiber, die geklagt hatten. 

Ausnahme: Grundstück bereits erschlossen

Die große alte Lagerhalle zwischen Autobahnen und Zuggleisen unweit der Messe in Charlottenburg liege zwar nicht im baurechtlichen Innenbereich, sondern in einer Insellage im Außenbereich, so das Gericht. Dort seien grundsätzlich nur bestimmte Bauvorhaben etwa solche der Land- und Forstwirtschaft zulässig. In diesem Fall gelte allerdings eine Ausnahme, da das Grundstück erschlossen sei und öffentliche Belange nicht entgegenstünden. 

Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Dem Rechtsstreit widmeten sich die Richter in einer mehr als zweistündigen Verhandlung bei einem Gang unter freiem Himmel und in der Lagerhalle selbst mit zunehmend wippenden und zitternden Prozessteilnehmern. Am Ende gestand auch Richterin Anna von Oettingen ein: „Oh, ist mir kalt!“ 

Stört es oder nicht?

Vorher musste aber einiges geklärt werden. „Die grundsätzliche Frage darf man schon stellen: Wen stört es denn hier?“, sagte die Richterin. Der Artemis-Besitzer Hakim Şimşek, der die Lagerhalle umbauen will und gegen den Bezirk klagte, antwortete leicht gereizt in Richtung der Vertreter des Bezirks: „Hier störe ich niemanden. Hier gibt es keine Nachbarn, keine Kinder, keine Schulen.“ Er finde Bordells und Prostitution in Wohngebieten nicht richtig. Entsprechende Kaufangebote habe er öfter gehabt, aber immer strikt abgelehnt. 

Ein Vertreter des Bezirksamtes erwiderte: „Hier stört es.“ Zugleich räumte er ein: „Aber in der Innenstadt stört es noch mehr.“ Trotzdem bleibe der Bezirk bei seiner Ablehnung und wolle den Umbau nicht. Begründet hatte die Behörde die Ablehnung mit Baurecht und Nutzungsplänen und weniger der Frage des Bordellbetriebs. 

Größtes Bordell in Berlin

Das Artemis hatte 2005 an der Autobahn eröffnet. Es ist das größte Bordell in Berlin und eines der größten in Deutschland. Die Internetseite spricht von einem FKK-Club und Bordell mit Saunen und Swimmingpool. Besucher zahlen 90 Euro für die Nutzung der Anlage, Sex kostet extra und wird direkt bei den Prostituierten bezahlt.

Nach einer großen Razzia durch die Polizei im Jahr 2016 wegen angeblicher Verbindungen zur organisierten Kriminalität und folgender Untersuchungshaft für Beschuldigte fielen die Vorwürfe schließlich in sich zusammen. Berlin musste sich 2023 entschuldigen und 250.000 Euro Entschädigung zahlen. 

Die nun strittige Lagerhalle mit 4000 Quadratmetern Fläche auf der gegenüberliegenden Seite der Stadtautobahn hatten die Betreiber schon 2009 gekauft. 2017 planten sie den Bau eines achtgeschossigen Bordells. Wegen der Höhe wurde das vom Bezirk abgelehnt. 

32 „Verrichtungszimmer“

2019 beantragten sie, nur die Halle auszubauen. 32 Zimmer für die Prostituierten und ihre Kunden soll es geben, sogenannte Verrichtungszimmer. Außerdem Zimmer für die Frauen, die dort auf Selbstständigen-Basis arbeiten sollen, zum Schlafen und Ausruhen.

Die Richterin merkte in Richtung des Bezirks an, bei der ersten Ablehnung sei es eigentlich nur um die Gebäudehöhe gegangen. Nun sollten plötzlich weitere Aspekte relevant sein. Dabei sei doch der Zweck des Gebäudes derselbe geblieben. 

Schallschutz innen und nach außen 

Auch der Schallschutz nach außen gegen die Autobahn und auch innerhalb spielt eine Rolle, so die Richterin. „Daran haben Sie doch bestimmt gedacht. Sie wollen ja nicht, dass eine Dame mit einem Kunden durch den Lärm der anderen Dame und ihrem Kunden gestört wird.“ Die Antwort des Bordellbetreibers Şimşek: „Selbstverständlich.“ 

Nach der Entscheidung teilte er mit: „Wir freuen uns, dass unser Vorhaben für zulässig erklärt wurde, so wie es das Bezirksamt Charlottenburg im Jahr 2017 ja auch schon für zulässig erklärt hat.“ Die Ablehnung der zweiten Baugenehmigung sei „offensichtlich politisch motiviert“ gewesen.