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Gesetzentwurf Reform des Betreuungsrechts hängt in Sachsen-Anhalt

Es kann eine demente Seniorin sein, ein psychisch kranker Mensch oder ein Drogenabhängiger: Wer sich nicht selbst um Behörden- und Bankangelegenheiten kümmern kann, braucht einen Betreuer. Sachsen-Anhalt hat eine entscheidende Neuregelung bislang versäumt.

Von dpa Aktualisiert: 24.02.2023, 22:21
Ein Betreuer berät einen Klienten zur Thema Betreuungsverfügung.
Ein Betreuer berät einen Klienten zur Thema Betreuungsverfügung. Sina Schuldt/dpa/Symbolbild

Magdeburg - Es geht um Menschen, die ihre eigenen Angelegenheiten nicht selbst regeln können, um mehr Aufklärung und Beratung: Eine bundesweite Reform gibt Betreuten seit Jahresbeginn ein stärkeres Selbstbestimmungsrecht. Zudem sollen Betreuungsvereine für alle interessierten Menschen Beratungen etwa zu Vorsorgevollmachten, Betreuungs- und Patientenverfügungen anbieten. Und sie sollen ehrenamtliche Betreuer gewinnen und begleiten. In Sachsen-Anhalt allerdings fehlt bislang die gesetzliche Grundlage für die Umsetzung dieser Reform des Betreuungsrechts, wie das Sozialministerium der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.

Die 24 Betreuungsvereine erhalten für die neuen Aufgaben bislang kein Geld und sähen sich daher gezwungen, sie zum 1. März nicht mehr anzubieten, wie der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Betreuungsvereine Sachsen-Anhalt, Eik Schieferdecker, erklärte. Sachsen-Anhalt habe als einziges Bundesland die Neuregelung verschlafen. Dabei hätten die Länder die Reform gemeinsam erarbeitet.

Um den neuen Aufgaben nachkommen zu können, sei mindestens eine Vollzeitstelle je 100.000 Einwohner im städtischen Raum und eine Stelle je 60.000 Einwohnern auf dem Land nötig, erklärte Schieferdecker. Es gehe um etwa 30 Vollzeitstellen. „Die Finanzierung hierfür ist ohne Ausführungsgesetz nicht gesichert.“ Die Betreuungsvereine würden daher zum 1. März nur noch gerichtlich angeordnete Betreuungen führen, die bezahlt werden. Alle anderen Aufgaben würden eingestellt, bis es eine bedarfsgerechte Finanzierung gebe.

Das zuständige Sozialministerium bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass die Landesregelung fehlt. Ziel sei gewesen, das Ausführungsgesetz wie das Bundesgesetz zum 1. Januar 2023 in Kraft treten zu lassen. Das Sozialministerium habe den Gesetzentwurf vorbereitet. Das betroffene Innenressort habe jedoch Bedenken vorgebracht. Daher habe das Kabinett noch keinen Beschluss fassen können.

Aus dem CDU-geführten Innenministerium hieß es, das Haus von Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) habe den Entwurf kurz vor Jahreswechsel zum 23. Dezember 2022 vorgelegt. Seitdem finde das Abstimmungsverfahren statt. Das Innenministerium wies auf die verfassungsrechtliche Pflicht hin, dass Kommunen bei der Übertragung neuer Aufgaben oder der Erweiterung kommunaler Aufgaben einen angemessenen Ausgleich erhalten müssen. Letztlich sei es Aufgabe des Sozialministeriums, einen verfassungskonformen Gesetzentwurf vorzulegen, so das Innenministerium.

„Wir arbeiten jedoch an einer zügigen Kabinettsbefassung“, erklärte das Sozialministerium. Es werde geprüft, wie eine finanzielle Übergangslösung für die Betreuungsvereine kurzfristig auf den Weg gebracht werden könne.

Die Betreuungsvereine sehen bereits einen Schaden für das Ansehen des Landes, aber auch in der Struktur der Ehrenamtsarbeit. In den einzelnen Vereinen würden seit 2021 deutlich weniger neue Betreuungsverfahren geführt, um mit Beginn dieses Jahres mehr Kapazitäten für die neuen Beratungsaufgaben zu haben. Ziel der Beratungen sei auch, Betreuungsverfahren durch Vorsorge zu vermeiden, betonte Schieferdecker. Die Vereine seien in Vorleistung gegangen, immer mehr Mitgliedsvereine müssten auf Rücklagen zurückgreifen. Es bestehe die Gefahr einer Insolvenz.